Um 19.20 Uhr war es soweit: das deutsche Duo S!sters begann mit dem ersten von vier Proben für das Eurovisions-Finale am Samstag nächster Woche in Tel Aviv. Nach Deutschlands Erfolg im vergangenen Jahr mit einem großartigen vierten Platz waren die Erwartungen auch im Pressezentrum gespannt.
Natürlich hatten die Fanmedien ausgiebig über den deutschen Vorentscheid und die anschließenden Diskussionen berichtet. Umso erwartungsvoller waren alle, wie die deutsche Delegation den Song auf die Bühne bringen würde.
Schwache Reaktionen im Pressezentrum
Um es ganz nüchtern zu berichten: der Applaus war doch extrem verhalten im Pressezentrum. Und auch wir bleiben mit einer gewissen Ratlosigkeit zurück.
Sprechen wir gar nicht über stimmliche Qualität. Dass bei einer ersten Probe auch mal Töne versemmelt werden, ist kein Beinbruch, wenn der Gesamteindruck stimmt.
Doch genau an der Stelle hat es leider gehakt. Auch wenn Proben natürlich dazu da sind, verschiedene Optionen auszuprobieren, ist es wichtig, eine gewisse Souveränität zu präsentieren, um die Presse und Fanpresse und deren Interesse am Act aufrecht zu halten.
Was aber nicht passieren sollte: dass sich im Pressezentrum angesichts der Inszenierung ungläubiges Gelächter breit macht und der Großteil der Kolleginnen und Kollegen der Meinung ist, der Erfolg des Vorjahres solle mit allereinfachsten Mitteln reproduziert werden.
Das Staging
Dabei hatte es großartig begonnen: statt auf einer Drehbühne waren Carlotta und Laurita weit voneinander entfernt an den beiden Seiten der Bühne platziert. Carlotta überraschte mit einer neuen Frisur und offenen Haaren und für die ersten Gesangparts wurden beide Gesichter auf der LED-Wand groß eingeblendet. Das war Klasse und ließ unsere Herzen höher schlagen.
Im Verlauf des Songs bewegen sich dann beide auf dem „Laufsteg“ aufeinander zu, wo sie am Ende aufeinander treffen und die letzten Zeilen gemeinsam singen – ein schönes und zum Text passendes Bild.
Doch bereits die Einblendung einzelner Schlagwörter auf der LED-Wand wirkte bemüht: „Sorry“ und „Respect“ waren da zum Beispiel zu lesen.
Als jedoch dann massenhaft Fotos von Schwestern oder jeweils Frauen im Doppelpack auf der LED-Wand aufpoppten, war die Reaktion ungläubiges Gelächter – wie kann der NDR nur seine eigene Idee vom Vorentscheid 2018 kopieren und wiederaufwärmen?!
Das Pressezentrum ist nicht der Maßstab aller Dinge
Um es klar zu sagen: Die S!sters sind sonst die Leidtragenden. Ihren Song mögen die einen – die anderen mögen ihn nicht. Darüber müssen mann und frau nicht streiten.
Und ebenso klar ist, dass die ESC-Bubble nicht Maßstab aller Dinge ist. Was hier negativ bemerkt wird, muss auf die Zuschauer und Zuschauerinnen nicht unbedingt ebenso wirken, die nicht jeden Auftritt vergangener Jahre im Gedächtnis behalten.
Aber nach einem tollen Erfolg und wirklich tollen Ideen im vergangenen Jahr waren unsere Erwartungen höher. Aber wie geschrieben: Proben sind zum Ausprobieren und tatsächlich wurde jeder der vier Probendurchgänge anders absolviert: Mal schauten sich die beiden am Ende an, mal standen sie Rücken an Rücken. Mal saßen sie am Anfang, dann standen sie. Mal gab es Goldregen von der Decke (passte nicht zu den Fotos), mal war da keiner.
Nachbesserung nötig
Die deutsche Delegation wird gerade die vier Aufnahmen sichten und dann bis Sonntag zum zweiten Durchlauf viel Arbeit haben. Eine Chance besteht unseres Erachtens, wenn die Schlichtheit des Anfangs mit den Gesichtern auf der LED-Wand beibehalten und ausgebaut wird und stattdessen andere Staging-Ideen gestrichen werden. – Auch die eingeblendete Graphik am Ende: Mann/Frau-Symbol zu Frau/Frau-Symbol zu Peace-Zeichen wirkte ebenso aufgesetzt wie der Ruf an die „Schwestern“ im Publikum nach den letzten Tönen.
Letztendlich kommt es auf den Auftritt am Samstag kommender Woche an und bis dahin kann noch viel angepasst werden. Wir hoffen das Beste.