Im Heiligen Land: Religion und ESC

In Israel ist Religion überall gegenwärtig – sowohl in den für meist gleich mehreren Religionen heiligen und historischen Stätten als auch im Alltag und Stadtbild.
Unser Kollege Jens Gesper fragte sich, ob dies Auswirkungen auf die Teilnehmer*innen des Song Contests haben könnte und in welcher Beziehung Religion und ESC stehen.
Er hat deshalb eine kleine Umfrage gestartet.

Ein Gastbeitrag von Jens Gesper

Fragen an die ESC-Teilnehmer*innen

Wie oft und wie offen sprechen die anreisenden Künstlerinnen und Künstler über ihren Glauben oder über Religion?
Auf die Frage wird jeder und jede eine andere Antwort geben.

Hier meine Versuchsanordnung für den aktuellen Eurovision Song Contest in Tel Aviv:
Wie viele würden wohl antworten, wenn ich den Pressestellen der 41 Delegationen eine E-Mail mit folgenden Fragen an die Künstlerinnen und Künstler schicke?

Ich weiß, das ist eine sehr persönliche Frage, aber weil wir im „Heiligen Land“ sind:
1) Sind Sie religiös gläubig?
2) Ist es etwas Besonderes für Sie, in Israel zu singen?

Die Nicht-Antworten

Innerhalb von vier Tagen – Shabbat und Sonntag eingeschlossen – gab es genau drei Antworten.

Aus dem Umfeld von einem der Favoriten kam der Hinweis auf seine Presse-Seite im Internet, wo sich die Aussage  findet, was sich als Antwort auf die zweite Frage deuten ließ: Zwei Wochen voller Musik, Spaß, neue Leute treffen, wunderbarem Essen und Spaziergängen durch Tel Aviv. Ein aufregender, überwältigender und emotionaler Ausflug.

Aus dem Umfeld einer Gruppe hieß es in der kurzen Drei-Satz-Antwort über diese auch: „Sie lieben es wirklich hier in Israel und freuen sich über die Möglichkeit, sich in der Musik mit der übrigen Welt zu verbinden. Musik verbindet, und das ist unser Hauptaugenmerk hier.“

Die dritte Antwort aus dem Umfeld einer der Sängerinnen im Wettbewerb ignorierte die Frage komplett, enthielt im Anhang allerdings die offizielle Einladung in ein Kulturzentrum, inklusive Auftritt der Sängerin und Cocktail-Empfang.

Also, die Ausbeute der E-Mail-Anfrage war somit sehr überschaubar. Obwohl das ja eigentlich die dezenteste Möglichkeit war, solch eine persönliche Frage zu stellen.

Bekenntnisfragen an vermeintlich muslimische Teilnehmer

Zwei der Sänger wurden allerdings in den Pressekonferenzen von einem israelischen Journalisten ganz direkt auf ihren Glauben angesprochen: Wie sie als Muslime Israel erlebten, ob sie als Muslime Drohungen erhalten hätten, weil sie in Israel auftreten würden? Gerichtet waren diese Fragen an Alessandro Mahmoud, der als Mahmood und als Sohn einer sardischen Mutter und eines ägyptischen Vaters für Italien „Soldi“ singt. Und zwar nicht nur auf Italienisch, sondern auch mit einem Satz in Arabisch. Eine Sprache, die bisher nur Marokko bei der einzigen Teilnahme des Landes 1980 und Israel in 2009 auf die Eurovisions-Bühne gebracht haben. Der 26-Jährige stellte klar, dass er Italiener sei, sagte geradeheraus, er sei Christ und lobte generell Tel Aviv und Israel für die Gastfreundschaft.

Genau wie Bilal Hassani, der für Frankreich „Roi“ singt. Der 19-jährige gebürtige Pariser erklärte, er sei zwar in einer aus Marokko stammenden, muslimischen Familie aufgewachsen, habe sich selbst aber nie das Etikett Muslim aufzwingen lassen wollen. Weshalb es an dieser Stelle Applaus in der Pressekonferenz gab, wird wohl immer das Geheimnis der Klatschenden bleiben. Er habe keine Vorstellung von dem Land gehabt, eine Freundin von hier, habe ihm allerdings gesagt, hier werde viel gefeiert – und das habe er auch vor und auch schon gemacht.

Wer vor dem Auftritt betet und wofür, das bleibt ihr oder sein Geheimnis.

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